Schießt schneller als sein Schatten

Schießt schneller als sein Schatten

„Aus dem Jungen wird nie etwas werden“, prophezeite sein Mathelehrer den Eltern und das nicht ganz ohne Grund: Statt auf den Unterricht zu achten, beschäftigte sich Maurice De Bevere damit, Karikaturen in seine Mathebücher zu zeichnen. Geboren am 1. Dezember 1923 im belgischen Kortrijk, blieb der junge De Bevere nach dem Abschluss des Jesuitenkollegs seiner Passion treu. Er begann seine Karriere im Zweiten Weltkrieg bei einem kleinen Zeichentrickfilmstudio, wo er André Franquin und Peyo, den späteren Erfinder der Schlümpfe, kennenlernte. Das Studio machte jedoch schnell pleite und so versuchte er sich zunächst als Illustrator für Zeitungen und eine Zeitschrift namens „Le Moustique“.

Diese Zeitschrift erschien im gleichen Verlag, der auch das Comic-Magazin „Spirou“ herausgab, und hier erhielt De Bevere seine erste Chance. Am 7. Dezember 1946 konnte er in „Spirou“ eine eigene Comic-Episode veröffentlichen, einen Western, für die er sich einen Cowboy ausgedacht hatte: „Lucky Luke“ war geboren.

Begegnung mit Goscinny

So richtig überzeugend wirkte dieser stark von Walt Disneys Stil beeinflusste Western allerdings noch nicht. Ein Grund war sicher die Schwierigkeit, „sich fundierte Dokumentationen über den Wilden Westen zu beschaffen…“ so der Zeichner in einem Interview: „Ich musste auf alle möglichen Tricks zurückgreifen. Mein beliebtestes Material waren Filmfotos. Und die musste ich meistens aus den Schaukästen vor den Kinos stehlen, denn ich konnte sie nicht auf normalem Wege erwerben.“ Diese Schwierigkeit wurde jedoch resolut angegangen: Im Jahr 1948 reiste Morris, wie er sich inzwischen nannte, in die USA, wo er sechs Jahre lang blieb. Eine Karriere in den USA blieb zwar aus, aber immerhin konnte er dort für das legendäre „Mad“-Magazin arbeiten und, viel wichtiger, lernte René Goscinny kennen, den späteren Asterix-Erfinder, der von 1955 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1977 für Morris alle „Lucky Luke“-Geschichten schrieb.

Morris (rechts) und Goscinny 1971 in Amsterdam (Foto: Hans Peters / Anefo)

Mit Goscinny als Autor wurde der „Mann, der schneller zieht als sein Schatten“ bald ein überwältigender Erfolg. „Lucky Luke“, sein Pferd „Jolly Jumper“, die „Daltons“ und „Rantanplan“, der dämlichste Hund der Welt begegneten historischen Figuren wie „Billy the Kid“, „Calamity Jane“ oder Jesse James und begeisterten große und kleine Leser in aller Welt: Bis heute erscheint die Comicserie in 30 Ländern, allein in Deutschland wurden bisher mehr als 30 Millionen Alben verkauft.

Lucky Luke auf Briefmarke FrankreichZwei Kinofilme gibt es mit „Lucky Luke“, Zeichentrickserien und natürlich Briefmarken. Nur rauchen tut der Cowboy nicht mehr, und dafür, dass er ihm das Rauchen abgewöhnte, wurde Morris von der Weltgesundheitsorganisation anlässlich des Weltnichtrauchertages 1988 gesondert ausgezeichnet. Maurice De Bevedere starb am 16. Juli 2001 im Alter von 77 Jahren in Brüssel. Testamentarisch hatte er zuvor verfügt, dass „Lucky Luke“ unter der Obhut anderer Zeichner und Autoren weiterhin für Recht und Ordnung sorgen kann.

Authored by: Udo Angerstein

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