Flug 609

Flug 609

Menschliches Versagen oder Unbilden der Witterung? Genau wird man wohl kaum mehr herausfinden können, weshalb am 6. Februar 1958 in München der Startversuch eines zweistrahligen Propellerflugzeuges des Typs Airspeed AS.57 „Elizabethan“ in eine Katastrophe mündete. Vorausgegangen waren zwei abgebrochene Startversuche. Pilot James Thain und Co-Pilot Ken Rayment hatten nämlich festgestellt, dass der Ladedruck beider Motoren unregelmäßig war. Dennoch wagten sie einen dritten Versuch.
Um abheben zu können, musste die Maschine eine Geschwindigkeit von mindestens 119 Knoten (gut 220 Kilometer pro Stunde) erreichen. Den Piloten gelang aber nur eine Beschleunigung bis 117 Knoten. Dann brach die Geschwindigkeit deutlich auf 105 Knoten ein. Das Flugzeug schoss über das Ende der Startbahn hinaus und streifte mit der linken Tragfläche ein Wohnhaus, das in Brand geriet. Das Cockpit prallte gegen einen Baum, die Steuerbordseite des Rumpfes gegen eine Garage, in der unter anderem Benzin gelagert wurde. Eine Explosion war die Folge. 23 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, 21 trugen zum Teil schwere Verletzungen davon.
Heute würden sich nur Luftfahrtexperten an das Unglück erinnern, wäre Flug 609 der British European Airways ein normaler Linien- oder Chartereinsatz gewesen. An Bord befand sich indessen die Mannschaft des britischen Fußballvereins Manchester United, die von einem Europapokal-Spiel bei Roter Stern Belgrad zurückkehrte. In München-Riem fand eine Zwischenlandung statt, um tanken zu können. Manchester United war in der Vorsaison zum zweiten Mal hintereinander englischer Fußballmeister geworden. Ebenfalls im Vorjahr hatte die Mannschaft im Europapokal das Halbfinale gegen den späteren Sieger Real Madrid verloren. Nunmehr stand sie erneut im Halbfinale, nachdem sie das Hinspiel mit 2 : 1 Toren gewonnen und in Belgrad ein Unentschieden mit 3 : 3 Toren erreicht hatte.
Geoff Bent, Roger Byrne, Eddie Colman, Duncan Edwards, Mark Jones, David Pegg, Tommy Taylor und Billy Whelan kamen bei dem Unglück ums Leben. Johnny Berry und Jackie Blanchflower mussten wegen ihrer schweren Verletzungen die Karriere beenden. Die Vereinsführung stellte mit Ersatz- und Jugendspielern eine neue Mannschaft zusammen, die bis zum Ende der Saison nur ein Spiel gewinnen konnte und damit alle Titelchancen verlor. Auch im Finale des Ligapokals blieb sie nur zweiter Sieger.
Zur Ursache des Unglückes gibt es zwei Thesen. Nahe liegt es, nach den gescheiterten Startversuchen den Piloten die Schuld zuzuweisen; bei unregelmäßigem Ladedruck in Motoren muss man der Ursache nachgehen. Doch deutet vieles darauf hin, dass Schneematsch auf der Startbahn die Maschine extrem gebremst hatte, sodass sie die nötige Geschwindigkeit nicht erreichen konnte. Bekannt war bereits, dass Flugzeuge mit Bugradfahrwerk – vorn ein Bugrad, während die Haupträder hinter dem Schwerpunkt der Maschine liegen – eher Probleme mit Schnee und Matsch bekommen als Flugzeuge mit Spornradfahrwerken, bei denen sich die Haupträder vorn und ein Rad am Heck befinden. Vor einem britischen Gericht wurde der Pilot freigesprochen, derweil die deutschen Behörden keine Verantwortung der Flughafenverwaltung erkennen mochten.

Authored by: Torsten Berndt

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