Der Geist der vergangenen Weihnacht

Der englische Schriftsteller Charles Dickens veröffentlichte am 19. Dezember 1843 seine Erzählung „A Christmas Carol“, die eine der berühmtesten und meist zitierten Geschichten rund um das Weihnachtsfest erzählt. Die Illustrationen zur Erstausgabe erstellte der Karikaturist John Leech. Protagonist des Romans ist der Griesgram und Geizhals „Ebenezer Scrooge“, der hinter jedem Schilling her ist, seinen Mitmenschen jedoch nicht viel abgewinnen kann. Weihnachten ist für ihn lediglich eine Verschwendung von Zeit und Geld. Der anfangs kaltherzige Geschäftsmann macht im Laufe des Romans eine Wandlung hin zum Guten durch. Bis es jedoch zur charakterlichen Besserung kommt, muss er einige schauerliche Episoden über sich ergehen lassen.

Dickens-Weihnachten-BriefmarkeDie Erzählung beginnt am Morgen des 24. Dezember. Scrooge bekommt Besuch von seinem Neffen, der ihn einlädt, Weihnachten bei ihm zu feiern. Diesen Vorschlag betrachtet der alte Mann schlicht und ergreifend als „Humbug!“. Später erhält Ebenezer Scrooge Besuch von zwei Männern, die Geld für die Armen sammeln. Auch diesen hat er lediglich eine heftige Abfuhr entgegenzusetzen. Da eine öffentliche Armenfürsorge existiert, sieht er seine Pflicht durch die obligatorischen Steuerzahlungen bereits erfüllt. Mit dem Abend könnte diese Weihnachtepisode eigentlich enden, aber Dickens hat noch eine groteske Wandlung vorgesehen.

Am Heiligen Abend erscheinen ihm einige Geister. Als erstes besucht ihn der Geist Jacob Marleys. Er ist der Geist des verstorbenen Geschäftspartners und einzigen Freundes, der allerdings zu Lebzeiten den Geiz des Protagonisten noch übertroffen hat. Nach seinem Tode hat Scrooge die Geschäfte des verstorbenen Freundes übernommen. Um dies bewältigen zu können, hat er den Schreiber Bob Cratchit angestellt. Der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners rät ihm, sein Leben grundlegend zu ändern, ansonsten würde er ein böses Ende finden.

Es bleibt nicht bei der Erscheinung Marleys. Es erscheint ihm anschließend der Geist der vergangenen Weihnacht. Dieser führt ihn in seine Jugendtage zurück. Ebenezer erlebt ein zweites Mal, wie er aufgrund seiner Fixierung auf Gewinn und Geschäfte seine damalige Verlobte verliert. Darüber hinaus offenbart ihm der Geist eine Szene, in der sie mit einem anderen Mann und den gemeinsamen Kindern ein glückliches Weihnachtsfest feiert.

Es folgt eine Reise zum gegenwärtigen Weihnachtsfest. Scrooge wandelt mit dem Geist der gegenwärtigen Weihnacht durch die festlich geschmückten Straßen. Schließlich landen sie bei den Weihnachtsfeiern seines Neffen und der des Angestellten. Der Sohn seines Schreibers „Tiny Tim“ wird bald sterben, weil die Familie nicht genug Geld für die nötige Ernährung und Arztbesuche aufbringen kann. Das bewegt Ebenezer dazu, Mitleid zu empfinden.

Auf der Reise zum zukünftigen Weihnachtsfest wandelt er durch die Straßen seiner Heimatstadt London. Er schnappt Gesprächsfetzen auf, die einen kürzlich verstorbenen und unbeliebten Geizhals nennen, der allerdings unglaubliche Reichtümer angehäuft haben muss. Schnell wird klar, dass es sich dabei um Scrooge selbst handeln muss. Schließlich steht er vor seinem eigenen Grab und liest die Inschrift auf dem Stein: „Die Wege der Menschen deuten ein bestimmtes Ende voraus, auf das sie hinführen, wenn man auf ihnen beharrt. Aber wenn man von den Wegen abweicht, ändert sich auch das Ende.“

Das ist der entscheidende Hinweis darauf, dass Ebenezer sein Leben grundlegend ändern muss, um das prophezeite bittere Ende doch noch umschiffen zu können. Er beginnt daraufhin, seinen Lebenswandel zu ändern. Er lässt den Armen eine großzügige Spende zukommen, der ärmlichen Familie seines Angestellten Cratchit schenkt er einen gigantischen Truthahn zu Weihnachten, sein Schreiber selbst erhält eine Gehaltserhöhung. Die gute Nachricht ist schließlich, dass der kleine Tim überleben wird, da seine Familie nun besser für ihn sorgen kann.

Es wird ein Einblick in das Weihnachtsfest der Viktorianischen Epoche gegeben. Ein wesentliches Kennzeichen Dickens Prosa ist die akribische Schilderung sozialer Missstände dieser Zeit. In „A Christmas Carol“ werden vor allem die Nöte der armen Bevölkerung eindrücklich beschrieben. Bis in die heutige Zeit zeigen seine Werke große Wirkung, unter anderem durch die Sprachschöpfungen, die seine Prosa kennzeichnet. Scrooge ist bis heute im Englischen ein Synonym für Geizhals. Onkel Dagobert heißt im englischen Original übrigens genau so. Vielleicht ist der heutige Jahrestag der Veröffentlichung von „Christmas Carol“ für sie ein Anlass diese Geschichte noch einmal zu lesen. Sie haben noch fünf Tage bis Weihnachten.

Authored by: mgloger

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