Kulturgeschichte eines Lurchs

Kulturgeschichte eines Lurchs

„Sei kein Frosch!“ sagen wir, wenn sich jemand zu sehr ziert; wenn wir heiser sind, haben wir „einen Frosch im Hals“, speziell ausgebildete Taucher nennen wir „FroschmĂ€nner“ – der Name „Frosch“ als ĂŒbergreifende Bezeichnung einer artenreichen Amphibiengattung hat in mannigfacher Bedeutung Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden. Den interessanten Versuch, solch einen aus der Tierwelt ĂŒbertragenen Begriff einmal im Markenbild darzustellen, hat die dĂ€nische Post mit den Europa-Marken 2011 unternommen: Die zwei Werte zeigen jeweils ein StĂŒck Wald aus der „Froschperspektive“ und aus der „Vogelperspektive“.

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Seit 1901 wirbt der Erdal-Frosch fĂŒr eine Schuhcreme (Fischer, NĂŒrnberg).

Heute sind Frösche ebenso wie alle anderen europĂ€ischen Amphibienarten in Deutschland besonders geschĂŒtzt; sie dĂŒrfen nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. Das war nicht immer so. In vergangenen Jahrhunderten wurde es dem Laubfrosch zum VerhĂ€ngnis, dass er bei schönem Wetter immer die oberen Zweige aufsucht, weil sich dann dort die meisten Insekten aufhalten. Er galt deshalb als Wetterprophet und wurde in dem von vielen Bildern bekannten Einmachglas mit der Leiter jahrelang gefangen gehalten. Noch trauriger war das Schicksal jener Wasser- und Grasfrösche, die – vor allem bei unseren westlichen Nachbarn – ihrer schmackhaften Schenkel wegen massenhaft zum Verzehr gefangen wurden.

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Froschmann bei der Bergung einer gewasserten Raumfahrtkapsel, MiNr. 1453 (Schwaneberger Verlag).

Die charakteristische Körperform der Frösche hat immer schon kreative Köpfe angeregt, sie kĂŒnstlerisch nachzugestalten. So wurde auf der Antilleninsel Anguilla eine aus einer Muschel geschnitzte Froschfigur gefunden, die zwischen dem neunten und 15. Jahrhundert entstanden sein soll und in einer Markenserie „PrĂ€kolumbische Funde“ zu philatelistischen Ehren kam. Andere Froschskulpturen schmĂŒcken viele Brunnen oder dienen als Wasserspeier. Humoristisch brachte Wilhelm Busch mit dem Bilderbogen „Die beiden Enten und der Frosch“ ein Abenteuer des grĂŒnen Gesellen zu Papier, dessen gutes Ende in der oft zitierten Feststellung mĂŒndete: „Drei Wochen war der Frosch so krank! Jetzt raucht er wieder, Gott sei Dank!“

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Diese aus einer Muschelschale
geschnitzte Froschskulptur entstand bereits vor der Entdeckung
Amerikas, MiNr. 1135.

Besonders beliebt ist der Frosch als Kinderspielzeug. War jahrzehntelang der HĂŒpffrosch — ob zum Aufziehen oder mit Klebe-Effekt — der Favorit in den Kinderzimmern, so findet der von Haus aus glatthĂ€utige, glitschige Lurch entgegen seiner Natur heute als PlĂŒschtier immer mehr Liebhaber. Als SympathietrĂ€ger ist der Frosch, ob mit oder ohne Krone, seit mehr als einem Jahrhundert auch in der Werbung vielfach prĂ€sent.

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Schon um 1930 waren solche Springfrösche ein beliebtes Blechspielzeug, MiNr. 2666.

Symboltier in MĂ€rchen und Fabeln

In der Mythologie außereuropĂ€ischer Kulturen galten Frösche wegen der Art ihrer Vermehrung von jeher als Inbegriff einer Verwandlung und Fruchtbarkeitssymbol. Im christlichen Mittelalter hingegen sah man in ihnen vorwiegend das HĂ€ssliche. Frösche und Kröten brodelten angeblich in Hexenkesseln, erregten Angst und Ekel. Das fand auch in MĂ€rchen seinen Niederschlag. In „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“, mit dem die BrĂŒder Grimm ihre „Kinder- und HausmĂ€rchen“ einleiteten, streckt der Frosch „seinen dicken, hĂ€sslichen Kopf“ aus dem Wasser; als er von der Königstochter Einlass ins Schloss begehrt, „war ihr ganz angst“, und schließlich „warf (sie) ihn aus allen KrĂ€ften wider die Wand“. Die karikaturhafte Darstellung des Froschs auf den diesjĂ€hrigen Wohlfahrtsmarken ist dazu angetan, diese Empfindungen nachzuvollziehen.

Karikaturhaft stellt Professor Johannes Graf den Frosch auf den diesjĂ€hrigen Wohlfahrtsmarken dar, die dem MĂ€rchen „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“ der BrĂŒder Jacob und Wilhelm Grimm gewidmet sind.

In zwei anderen MĂ€rchen der BrĂŒder Grimm werden Vertreter der Frosch-Familie ĂŒbrigens deutlich sympathischer geschildert. In „Die drei Federn“ wird die dem Dummling von der alten Itsche (Kröte) neben vielen Geschenken mitgegebene junge Itsche zu einem wunderschönen FrĂ€ulein, und in den „MĂ€rchen von der Unke“ bedankt sich die von einem Kind mit Milch und Weckbrocken gefĂŒtterte Haus­unke mit glĂ€nzenden Steinen, Perlen und goldenen Spiel­sachen.
Als arroganter Angeber mit beschrĂ€nktem Horizont erscheint der Frosch in zwei unabhĂ€ngig voneinander entstandenen Fabeln. In der auf einer Marke Taiwans illustrierten chinesischen ErzĂ€hlung „Ein Frosch im seichten Brunnen“ bekommt dieser Besuch von einer Schildkröte aus dem Ostchinesischen Meer, die ihm von dessen Entstehung und GrĂ¶ĂŸe erzĂ€hlt, wogegen sich der ignorante Frosch in seiner PfĂŒtze als souverĂ€ner König fĂŒhlt. Aus einer Ausgabe Frankreichs zum 300. Todestag von Jean de La Fontaine (1621–1695) stammt die Marke zu der Fabel „Der Frosch und der Ochse“. Sie erzĂ€hlt von einem Frosch, der damit angab, so groß werden zu können wie ein Ochse: Er blies sich auf, bis er platzte.

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Eine Tierfabel von La Fontaine zeigt den Frosch im BemĂŒhen, den Ochsen an GrĂ¶ĂŸe zu ĂŒbertrumpfen, MiNr. 3102.

Freundlichere Charaktere als diese beiden GroßmĂ€uler begegnen uns in vielen KinderbĂŒchern, die von Fröschen erzĂ€hlen. Zwei der international bekanntesten wurden auch schon auf Briefmarken vorgestellt. Eine britische Marke ist „The Tale of Mr. Jeremy Fischer“ gewidmet; einer Story, die die Kinderbuchautorin und Illustratorin Beatrix Potter (1866–1943) ursprĂŒnglich als Brief an ein Kind geschrieben hatte und die in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Geschichte von Jeremias Quaddel“ erschienen ist. Auf einer tschechischen Marke posiert das FroschmĂ€nnchen, dessen Abenteuer der britische Schriftsteller Kenneth Grahame (1859–1932) in seinem Kinderbuch „Der Wind in den Weiden“ schilderte. Von ganz anderer Art ist die auf einer dĂ€nischen Marke vorgestellte, hierzulande auch verfilmte Geschichte von „Orla FrĂž-Snapper“: Darin erzĂ€hlt Ole Lund Kirkegaard (1940–1979), wie Kinder die fiesen PlĂ€ne des als „Froschfresser“ verschrienen Dorfrowdys Orla durchkreuzen.
Weltweite Bekanntheit erlangte ein Frosch namens Kermit. Die von dem US-amerikanischen Puppenspieler und Regisseur Jim Henson (1936–1990) im Jahre 1955 fĂŒr die Fernsehserie „Sam and friends“ entwickelte Figur machte ab 1969 als Akteur der „Sesamstraße“ Karriere und glĂ€nzte ab 1976 in der Rolle als Produzent und Moderator der „Muppetshow“. LegendĂ€r ist sein Ausspruch „Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grĂŒner Haufen“. Als erster seines Stammes erhielt Kermit der Frosch 2002 einen eigenen Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood.

Text: Dieter Heinrich

Authored by: Stefan Liebig

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