Revolution in der Kommunikation

Revolution in der Kommunikation

Es kommt vor, dass man ein Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. So erging es dem Rezensenten mit dem vorliegenden Werk. Die nach dem Titel zu schließen nüchterne postgeschichtliche Abhandlung liest sich so spannend wie ein Krimi. Wie gelingt das dem Autor? Zu ihrer Einführung im Jahre 1869 brachte die Postkarte eine regelrechte Revolution in der Kommunikation. Fortan konnte jedermann schnell, preiswert und ohne große Formalitäten mit aller Welt Kontakt aufnehmen, was gesellschaftlich unvorstellbar starke Auswirkungen hatte. In jenen Tagen gab es fünfmal täglich Briefkastenleerungen, und ebenso häufig wurde Post zugestellt. Die Idee der Postkarte verbreitete sich in Windeseile rund um die Welt, und jeder Staat entwickelte sie nach eigenen Vorstellungen weiter. Einheitliche Standards beschloss dann der Weltpostverein 1874 in Bern. Er wurde ein wichtiger Förderer der Postkarte, die er als eine separate Sendungsart definierte mit entsprechend eigenen Regeln und Tarifen. Gough interessieren nun nicht einfach die technischen Veränderungen der Karten, sondern die Schritte hin zur Vereinheitlichung. Kenntnisreich beantwortet er die Frage nach dem „Warum?“ und „Wie?“ und geht dabei auf unterschiedlichste Aspekte ein. Lange wurde etwa über die für den internationalen Verkehr bedeutsame Bezeichnung der Karte gestritten, ob Correspondenz-Karte, Brief[-]kaart, Post[-]Card, Postal Card, Carta de Posta, Tarjeta Postal, Carta Tarjeta, Cartolina Postale und so weiter.

Harmonisierung der Dimensionen

Tarife mussten angeglichen werden, es sollte eine gemeinsame Farbe für das anfangs aufgeklebte, später auch eingedruckte Wertzeichen geben ebenso wie eine Harmonisierung der Dimensionen der Karten, Inhalt und Umfang der Hinweise auf der Vorderseite und so weiter. Neben dem Weltpostverein gab es zudem dank multilateraler Abkommen auch Mini-Unionen, die den Partnerländern Vorzugstarife gewährten. Für all diese Probleme wurden auf den in drei Kapiteln dargestellten Postkongressen 1874 und 1876 in Bern und 1878 in Paris nach langer Diskussion Übereinkünfte erreicht. Die Postverwaltungen traten dazu bestimmte nationale Rechte ab, was gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchaus nicht selbstverständlich war. Kapitel 6 befasst sich mit den 1878 eingeführten internationalen Antwortkarten: Damit akzeptierten die Postverwaltungen gegenseitig die Frankatur eines fremden Staates als für die Beförderung zulässig, ein absolutes Novum. Die Beschlüsse der folgenden Postkongresse sind Gegenstand von Kapitel 8 bis 11, am nachhaltigsten wohl die 1974 vereinbarte Aufhebung der Verpflichtung, internationale Antwortkarten bereitzustellen.

Opus von erlesener Qualität

Im Anhang findet sich eine Chronologie der ersten Postkartenformulare, Postkarten und Kartenbriefe, Daten zum UPU-Beitritt in chronologischer und alphabetischer Reihenfolge, Währungs-Verrechnungstabellen und die Posttarife von Übersee nach Frankreich 1875 bis 1920. Die monumentale Geschichte der Postkarten und Kartenbriefe glänzt mit opulentem Bildwerk vom Feinsten. Mit ihrer Expertise für die inhaltliche Darstellung unterstützten den Autor auch für die Illustrationen weltweit zahlreiche Spezialisten und Auktionshäuser. Aus Deutschland nennt er unter anderem: Christoph Gärtner, Jochen Heddergott, Rolf-Dieter Jaretzky, das Auktionshaus Heinrich Köhler, Joachim Maas, Dieter Michelson und allen voran Hanspeter Frech, auf dessen enzyklopädisches Postkarten-Handbuch er wiederholt zurückgreift. Von erlesener Qualität ist die Aufmachung dieses Opus, das gediegene Vornehmheit ausstrahlt. Der Rezensent sieht die beiden Bände im Palmarès künftiger Ausstellungen unter den Groß-Gold-Gewinnern und betrachtet diese Mine des Wissens als die beachtenswerteste philatelistische Publikation des Jahres.

The Postal History of the Universal Postal Union. The Postal Card Worldwide 1869–1974 [Die Postgeschichte des Weltpostvereins. Die Postkarte weltweit 1869–1974]. Von James Peter Gough. 2 Bände, insgesamt XXXIII + 935 Seiten, Farbabbildungen, Format 22 x 28,8 cm, gebunden in Leinen mitSchutzumschlag und Lesebändchen. Preis: 105 Pfund plus 23 Pfund Porto, Schuber extra 20 Pfund, Deluxe-Ausgabe mit Schuber 370 Pfund. Erhältlich bei der Royal Philatelic Society London, 15 Abchurch Lane, London EC4N 7BW, UK, www.rpsl.org.uk.

Rainer von Scharpen

Authored by: redaktiondbz

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